….vom Licht in der Laterne

„Lasst die Kinder Kerzen tragen!“

Normalerweise nutze ich meinen Blog ja nur um Neues und Aktuelles aus meinem kleinen Nähreich „gartenstrasse eins“ zu posten, weil ich mich nicht immerzu dazu berufen fühle, die Welt zu verbessern (zumindest nicht, wenn es außerhalb der Textilwelt liegt). Heute muss ich allerdings mal ein paar Gedanken zu den heutigen Laternenumzügen schreiben, weil es mir wirklich am Herzen liegt und auf der Seele brennt.

Nun hüllt mit Nebelschleiern der stille Herbst uns ein.
Der Sonne Abschied feiern wir mit Laternenschein.
So zündet an die Kerzen und haltet gute Wacht.
Tragt euer Licht im Herzen durch dunkle Winternacht.     

Ich beobachte unsere Jungs nun seit ein paar Tagen, wie sehr sie sich auf den Laternenumzug freuen. Sie laufen am Abend singend mit ihren Laternen um den Küchenblock und trällern ein Laternenlied nach dem anderen dazu. Sie üben schonmal mit kleinen Teelichtern, die sie in ihre Laternen reingesetzt haben, damit am großen Tag auch ja nichts schiefgeht.

Der Laternenumzug ist für mich persönlich eine meiner frühesten und schönsten Kindheitserinnerungen:  Die selbst gebastelte Laterne tragen zu dürfen, das Licht in der Dunkelheit flackern zu sehn, gemeinsam Laternenlieder zu singen, aber auch darauf achten zu müssen, ganz langsam und bedächtig zu gehen, damit die Kerze nicht erlischt. Ich erinnere mich an das Gefühl stolz gewesen zu sein, dass ich ganz allein für mein Lichtlein verantwortlich war. Ich bin froh, dass es damals nur Kerzen in den Laternen gab und ich diese Erinnerungen aus meiner Kindheit mitnehmen durfte.

Seit unser ältester Sohn nun an Laternenumzügen teilnimmt, war er fast immer der einzige mit einer echten Kerze. Alle anderen halten Plastikstangen mit batteriebetriebenen Glühbirnen in den Händen. Meine eignen schönen Erfahrungen im Herzen tragend, hab ich nie wirklich verstanden, warum man das heute so macht. Die Antworten waren… „weil die Kerze ja eh immer ausgeht“, „weil es gefährlich sei“, weil die Kinder enttäuscht sein könnten, wenn doch mal die Laterne abbrennt“, „weil es so einfacher ist“, „weil es alle machen“.

Ich finde es wirklich unglaublich schade, dass die Kinder heute keine echten Kerzen mehr tragen. Sie müssen, wie so oft auf ihrem weiteren Lebensweg nur einen Schalter betätigen und „Peng – es werde Licht“, geht das Licht an, manchmal sogar in unterschiedlichen Farben, mit und ohne Blinkfunktion. Wenn man Kinder mit elektronischen Laternenstäben beobachtet, sieht man, dass sie nicht bei der Sache sind. Sie achten nicht auf den Weg, auf ihre Laterne, auf ihr ganz persönliches Lichtlein… und sie sind nicht so stolz darauf, ihre Laterne zu tragen, sondern wedeln oft wild mit den Plastikstäben herum oder beschäftigen sich damit, die unterschiedlichen Speziallichter auszuprobieren. Worauf sollten sie denn auch achten? Das Licht geht sicherlich nicht aus, ganz egal wie man die Laterne hält und wie man damit läuft, die Laterne kann nicht abbrennen, wenn man wild herumwedelt, also ist man „save“ und muss sich nur auf „Klick an“, „klick aus“ konzentrieren.

Ich habe früher als Pädagogik/Psychologie- und Kunstlehrerin an der FOS mit jugendlichen Schülern gearbeitet. Vor allem im Kunstunterricht musste ich immer wieder mit Bedauern feststellen, dass die erste Reaktion der Schüler auf eine kreative Aufgabe, das Zücken des Handys war, um per Knopfdruck irgendein visuelles Vorbild im Handy zu finden, das übernommen werden kann. Es fiel den meisten Schülern unglaublich schwer, aus sich heraus etwas zu schöpfen, ganz ohne Knopfdruck und ohne vorgefertigtes Ergebnis.

Was hat das nun mit der Kerze in der Laterne zu tun?

Ich glaube in einer Welt, die immer mehr von digitalen Medien beherrscht wird, wo ein großer Teil unseres Lebens praktisch per Knopfdruck funktioniert, brauchen unsere Kinder mehr denn je Erlebnisse, die ihre Seele und ihre Sinne ansprechen. Das erdet sie.

Kinder brauchen eine Atmosphäre, die Geborgenheit, Liebe, Zeit und Ruhe in sich trägt! Das kann ein flackernder Kerzenschein sein. Das Knistern und der Duft eines Streichholzes, wenn man es ausbläst. Den weißblauen Rauch beobachten, der aufsteigt.

Ich mache unsere Kerzen Zuhause zum Beispiel gerne mit Streichhölzern an, weil dadurch die Sinne Hören, Riechen, Sehen in einem viel stärkeren Maße angesprochen werden als mit dem Feuerzeug oder gar mit einer Glühbirne, wie sie in den meisten Laternen von Heute steckt.

Wie schade, dass alle Kinder heute mit Elektrolaternen laufen, dabei wollen wir doch, dass unsere Kinder Schlüsselkompetenzen wie Achtsamkeit, Selbständigkeit, Verantwortungsbewusstsein etc. erlernen. Das was sie beim Laternenumzug im Kleinen lernen, dass Lernen sie doch auch für ihr Leben in dieser Welt mit Anderen.

Sie lernen ACHTSAMKEIT, indem sie auf ihr kleines Lichtlein Acht geben.

Sie lernen VERANTWORTUNG zu übernehmen, für ihre selbst gebastelte leuchtende Laterne.

Darüber hinaus, wobei mir das hier am wenigsten wichtig erscheint, üben sie sich in FEIN- und GROBMOTORIK, indem sie die Laterne möglichst gerade haltend immer wieder ausbalancieren müssen. Das betrifft den ganzen Körper. Der muss nämlich Gegenlenken, wenn die Laterne ins Schlingern kommt und das kleine Lichtlein dunkler wird und droht auszugehen.

Und sie sind STOLZ auf sich, wenn sie sich anstrengen ganz gut auf ihr kleines Lichtlein aufzupassen und ihnen das gelingt.

Ist es das nicht wert, langsam mit den Kindern zu laufen, die Welt zumindest beim Laternenumzug etwas zu entschleunigen, wenn es mal nötig ist, stehenzubleiben und das Kerzlein nochmal anzuzünden? Das passt übrigens auch zu dem Gedanken hinter der „Cittaslow“- Bewegung, mit der die Stadt Hersbruck ausgezeichnet wurde.

Um nochmals auf die anfänglichen Argumente zurückzukommen, die dafür sprachen,  eine Elektrolaterne zu tragen:

Geht die Kerze aus, dann zündet man sie eben wieder an. Wann, wenn nicht auf einem Laternenumzug nimmt man sich die nötige Zeit, Ruhe und Geduld für sein Kind das Lichtlein ein, zwei, dreimal anzuzünden?!

Es gibt tagtäglich viele Gefahren, die wir nicht alle überblicken und verhindern können. Wir hoffen einfach, dass unsere Kinder einen guten Schutzengel haben. Eine Kerze, die mit Bedacht getragen wird, stellt meiner Meinung nach keine Gefahr dar. Im Gegenteil: Es lehrt die Kinder den Umgang mit Kerzen. Sie erfahren dadurch, dass man mit Feuer vorsichtig umgehen muss.

Sind wir mal ehrlich, eine Enttäuschung, die man nicht verkraftet ist es sicherlich nicht, wenn einem  Kind doch mal eine Laterne abbrennt. Meinem Mann ist das in der Kindheit passiert und er erinnert sich bis heute sehr gut an dieses einschneidende Ereignis, aber es ist keine schlimme Erinnerung und es hat ihn mit Sicherheit gelehrt, vorsichtig mit Kerzen und Feuer umzugehen. Ich kann mich auch gut daran erinnern, als unserem ältesten Sohn mit zwei Jahren die Kerze beim Laternenumzug ausging und er laut aufschluchzte, weil sein schönes Lichtlein nun erloschen war. Aber er hat in diesem Jahr fleißig seine Laterne weitergetragen, um den Baggersee, als der Nikolaus im Wald kam, in unserem Garten. Er hat hart geübt und es immer besser gekonnt und mittlerweile trägt er seine Laterne, ohne das die Kerze ausgeht und ist wieder um ein Stückchen gewachsen.

„Einfachheithalber“ und „Gruppenzwang“ sind sowieso schlechte Argumente. Es ist auch einfacher das Licht am Lichtschalter anzuknipsen als eine Kerze anzuzünden oder den Ofen anzuschüren, aber ich finde es auch einfach unheimlich schön und gemütlich im Kerzenschein zu sitzen.

Es gibt einen schönen Spruch, der auch in Bezug auf die Laternen-Thematik viel Weisheit in sich trägt:

„Alles Erste bleibt ewig im Kinde,

die erste Farbe

die erste Musik

die erste Blume

malen den Urgrund des Lebens

Deshalb gibt es nur ein Gesetz:

Beschütze das Kind vor allem Heftigen!“                      Jean Paul